Catull

Zwiespalt

Hassen und lieben zugleich muß ich. – Wie das? – wenn ich’s wüßte! Aber ich fühl’s, und das Herz möchte zerreißen in mir. Übersetzung von Eduard Mörike.

Catull

Auf sein Schiffchen

Ihr lieben Gäste, dieser Segler, den ihr seht, Versichert, daß er aller Schiffe hurtigstes Gewesen sei. Kein Kiel, so vogelschnell er schoß, Wär ihm im Fluge je zuvorgekommen, sei’s, Daß man mit Rudern oder mit dem Segel flog. Dies werde, sagt er, nie des grimmen Adria Gestade leugnen; auch nicht die Cykladischen Eilande, Rhodus nicht, das rauhe Thracien, Propontis und … Weiterlesen …

Catull

An die Halbinsel Sirmio

O Sirmio, du Perlchen alles dessen, was Neptun in Landseen oder großen Meeren hegt, Halbinseln oder Inseln, – froh, wie herzlich froh Besuch ich dich! Noch glaub ich es mir selber kaum, Daß ich der Thyner und Bithyner Flur nunmehr Entflohen bin, dich wieder sehe ungestört. Wie selig macht doch überstandne Drangsal uns, Wenn endlich man den Busen lüftet sorgenbar, … Weiterlesen …

Clemens Brentano

Lore Lay

Zu Bacharach am Rheine Wohnt’ eine Zauberin, Sie war so schön und feine Und riß viel Herzen hin. Und brachte viel zu Schanden Der Männer ringsumher, Aus ihren Liebesbanden War keine Rettung mehr. Der Bischof ließ sie laden Vor geistliche Gewalt – Und mußte sie begnaden, So schön war ihr’ Gestalt. Er sprach zu ihr gerühret: »Du arme Lore Lay! … Weiterlesen …

Clemens Brentano

Nie erzielet

Nie erzielet, Nie verspielet! Aufgeräumtes, Schwer durchträumtes Laufgezäumtes Blutgeschäumtes Mutgebäumtes Glutgesäumtes SitzzuPferdchen Blitzgebärdchen Spitzgelehrtchen Witzbeschwertchen Treu Gefährtchen

Annette von Droste-Hülshoff

Die Judenbuche

Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen Wo ist die Hand so zart, daß ohne Irren Sie sondern mag beschränkten Hirnes Wirren, So fest, daß ohne Zittern sie den Stein Mag schleudern auf ein arm verkümmert Sein? Wer wagt es, eitlen Blutes Drang zu messen, Zu wägen jedes Wort, das unvergessen In junge Brust die zähen Wurzeln trieb, Des Vorurteils geheimen … Weiterlesen …

Joachim Ringelnatz

Silvester

Dass bald das neue Jahr beginnt, Spür ich nicht im geringsten. Ich merke nur: Die Zeit verrinnt Genauso wie zu Pfingsten, Genau wie jährlich tausendmal. Doch Volk will Griff und Daten. Ich höre Rührung, Suff, Skandal, Ich speise Hasenbraten. Mit Cumberland, und vis-à-vis Sitzt von den Krankenschwestern Die sinnlichste. Ich kenne sie Gut, wenn auch erst seit gestern. Champagner drängt, … Weiterlesen …

Otto Ernst

Neujahrsgruß

Ans Tor des Türmers hab‘ ich heut gepocht mit lautem Rufen: »Komm, führe mich vor Mitternacht zum Turm hinauf die Stufen! Denn ein Gelüsten treibt mich heut, mit mächtig hallendem Geläut die Welt zu meinen Füßen zu grüßen.« Und an des Alten Seite stumm bin ich emporgestiegen. Tief lag die Erde schneeverhüllt, geruhig und verschwiegen. Die weite Stadt – ein … Weiterlesen …

Theodor Fontane

Der Schwester zu Silvester

Habe ein heitres, fröhliches Herz Januar, Februar und März, Sei immer mit dabei In April und Mai, Kreische vor Lust In Juni, Juli, August, Habe Verehrer, Freunde und Lober In September und Oktober, Und bleibe meine gute Schwester bis zum Dezember und nächsten Silvester.

Theodor Fontane

Ausgang

Immer enger, leise, leise Ziehen sich die Lebenskreise, Schwindet hin, was prahlt und prunkt, Schwindet Hoffen, Hassen, Lieben, Und ist nichts in Sicht geblieben Als der letzte dunkle Punkt.